Die Ruheversicherung

Eines vorweg die Ruheversicherung ist normalerweise gar kein grundsätzlicher Bestandteil in der Berufshaftpflicht, die Ruheversicherung ist  eigentlich nur der KfZ-Versicherung zugehörig und erstreckt sich über den Zeitraum zwischen Abmeldung/ Stillegung des versicherten Fahrzeuges und der Neu-/ oder Wiederzulassung des nachfolgenden Fahrzeuges. Mit der Zulassung tritt der Versicherungsschutz des Vertrages wieder in Kraft, über eine bestimmte Ruhezeit hinweg bleiben die erworbenen Schadenfreiheitsrabatte erhalten. 

In der Vergangenheit tauchte die Ruheversicherung hin und wieder auch in der Berufshaftpflicht der Architekten und Ingenieure auf, wurde aber auch genauso schnell wieder abgeschafft.
Um sich das Wohlwollen der Kammern und Verbände zu sichern, wird die Ruheversicherung von einigen Gesellschaften nun wieder angeboten und erfreut sich, auch wenn Sie nach wie vor von den Versicherungsgesellschaften nicht gewollt ist, einer neuen Beliebheit. 

Ein Grund sich näher mit dieser Versicherungsform zu beschäftigen.

Die Ruheversicherung kam bis 2009 immer dann auf den Tisch, wenn der Kunde nicht mehr in der Lage war, 
seinen Vertrag zu bedienen, weil sein Umsatz gegen null ging.
Man entschied sich, dem Kunden auf Anfrage eine passive Versicherung für einen geringen Risikozwischenbeitrag zu ermöglichen. 
Bei Wiederaufnahme der Tätigkeit konnte der alte Vertrag wieder aufleben. 
Dies ist jedoch eine Sonderreglung und keine vertraglich zugesicherte, weder in den Versicherungsbedingungen der Architekten und Ingenieure (AHB, BBR) 
noch im Versicherungsvertragssetz findet diese Niederschlag.
Sie hatte bislang den Charakter einer Einzelfallentscheidung und wurde seitens der Versicherer auch so kommunziert. 

Haftungstechnisch und versicherungsrechtlich eigentlich nicht nachvollziehbar. Denn wofür Beitrag zahlen, wenn kein aktiver Schutz vorhanden?
Unabhängig davon haftet der Ingenieur auch ohne Vertrag (siehe Leitfaden Berufshaftpfpflicht & Haftung)! 
Versicherungsvertragsbedingungen sehen nicht vor, dass ein Vertrag wegen Rückgang der Einnahmen während der Laufzeit beendet werden kann. 
Das gilt für alle privaten und gewerblichen Versicherungssparten. 
Die einzige vorzeitige Aufhebung käme regulär nur bei Forfall des Risikos, also Aufgabe der freiberuflichen Tätigkeit, in Betracht.

Einige Versicherer haben sich aber gesagt, wenn der Kunde sowieso nicht zahlen kann, kommen wir wahrscheinlich auch mit einem gerichtlichen Verfahren nicht an unser Geld und das Image im Versicherungsmarkt spielt auch eine nicht unbedeutende Rolle. 
Also pragmatische Lösung: Vertrag ruhen stellen und wenn der Kunde wieder aktiv wird, kommt er zu uns zurück, immer noch besser als wenn er zur Konkurrenz geht. 
Derartige Versicherung kosteten zwischen i. d. R. 0,00 € - 150.- € zzgl. Steuer.
Der einzige nachhaltige Nutzen stand gar nicht so sehr im Vordergrund des Kundenansinnen:
    
Wäre der Vertrag beendet worden, würde der Versicherer nach den alten Versicherungsbedingungen (BBR bis 2009/ 2010) nur fünf Jahre nachhaften müssen, gäbe es bei einem späteren Neuabschluss keinen unmittelbaren Übergang zwischen den beiden Versicherungsverträgen (gesellschaftsunabhängig), würde auch die Spätschadenklausel des nachgehenden Versicherers nicht mehr greifen und somit der versicherte Personenkreis seine Deckung bei langen Nachhaftungsfristen verlieren. 

Im Zuge der BGH-Rechtssprechung haben nahezu alle Versicherer ihre Bedingungen dahingehend geändert, dass die nachvertragliche Nachmeldefrist zeitlich unbegrenzt ist, vorausgesetzt der Versicherungsnehmer meldet den Schaden/ Anspruch unmittelbar nach dem Bekanntwerden.  

An dieser Stelle darf berechtigt hinterfragt werden, wozu also noch weiterhin eine Ruheversicherung. Der einzig sinnhaltige Umstand  wäre der, dass eine Spätschadendeckung zu einem vorangegangenen, älteren Versicherungsvertrag nicht unterbrochen werden soll. 

Dies ist jedoch regelmäßig nicht das Primaerinteresse, wenn es um die Ruhestellung eines Vertrages geht - insbesondere nicht, weil sich nur wenige mit den versicherungsvertraglichen Nachmeldereglungen auseinandersetzen.     

Das Interesse an den Ruheversicherungen wird derzeit aufrecht gehalten, um eine Ventillösung bei der Durchführung von Plichtversicherungsrichtlinien bei Kammern zu schaffen.
Konkret: Wie kann einem Architekten, Beratenden Ingenieur, Entwurfsverfasser oder einem Nachweisberechtigten der Titel oder Listeneintrag, der an eine Pflichtversicherung geknüpft ist, gerettet werden, wenn er keine Aufträge hat.  
 
Ziel wäre eine Versicherung mit geringen Einstiegsbeiträgen, die dann auftrags- oder honorarbezogen aufgestockt würde.

Die Ruheversicherung ist jedoch dazu nicht geeignet. Bei genauer Analyse zeigt sich, dass sie a) weder zur Erfüllung einer Plichtversicherungsrichtline b) noch zur Sicherstellung eines Qualitätssiegels geeignet und c) sogar auf Dauer steigende Beiträge in Berufshaftpflicht der Archikten und Ingenieur verursacht.  

Die Tragweite von a), b) und c) kann schon mit nur einem Beispiel verdeutlicht werden. 
 
Die Pflichtversicherungsrichtlinie kam den Architekten- und Ingenieurkammern die Rolle der zuständigen Stelle nach § 117/2 VVG zu.

Zweck von Pflichtversicherungsrichtlinien ist auf europäischer und auf nationaler Ebene derselbe: 
Der Auftraggeber soll davon ausgehen können, dass der Träger der Titels Architekt, beratender Ingenieur aber auch der Entwurfsverfasser i. S. der LBO berufshaftpflichtversichert ist. Wieder anlog zum KfZ - ist eine Plakette auf dem Nummernschild, genießt der Geschädigte Schutz mindestens in den Grenzen der Mindestversicherungssummen, 
auch wenn der Halter mit der Prämie säumig ist und der Schutz vielleicht schon ihm gegenüber gekündigt wurde.  

Genauso wie von einem stehenden Fahrzeug eine Haftung ausgehen kann (bsp. Ölaustritt, Beteiligung an Unfall), haftet der Planer auch ohne Auftrag und ohne Honoraranspruch.

Dies scheinen die an der Ruheversicherung beteiligten regelmäßig zu verdrängen. Wird der Planer mit einem Anspruch, der beispielsweise in der Akquisephase wurzelt, konfrontiert, er hat aber zu diesem Zeitpunkt seinen Vertrag nicht aktiviert, weil er ja noch keinen sicheren Umsatz in Aussicht hatte, genießt er keinen Versicherungsschutz.

Für die Versicherer ist jede Tätigkeit, sei es die Teilnahme an Ausschreibungen, sonstige Akquise oder das Auftreten auf Baustellen ohne Vertrag eine berufliche und damit anzeipflichtige Tätigkeit!    

In Abhängigkeit zur Ausformulierung der Ruheklausel muss der Versicherer in solchen Fällen ggf. im Außenverhältnis haften, er wird aber in jedem Fall den VN in Regreß nehmen.
In diesem Zusammenwirken potentieren sich die Probleme: Der Geschädigte wird nicht reibungslos befriedigt, u. U. steuert der VN und auch seine Familie in die Insolvenz, die Kammer hat mit dieser Durchführunsanweisung nicht gerade bewiesen, dass das Qualitätsiegel des Titels oder Eigenschaft Entwurffasser nachhaltig ist und damit den Verbraucherschutz der im Zentrum der reformierten Pflichtversicherungsrichtlinie nach §114 - 117 VVG steht, aufgeweicht. 

Nebenwirkung: Die Schadenregulierung des nicht aktiven Versicherungsvertrages geht zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft. 
  
Die Versicherer wissen tw. von dieser Gefahr und müssen dies auf Dauer in die Tarifierungen einpreisen. 
Schließlich will man im Wettbewerb auch das anbieten, was der Mitwettbewerber hat. 

Die Schadenquoten in der Architektenhaftpflicht liegen derzeit zwischen 72 - 94 % vom Beitragsvolumen; bei einigen Gesellschaften wird diese Kundengruppe der Architekten aus den Prämienvolumina der Segmente mit niedrigeren Schadenquoten wie z. B. den Sachverständigen oder den Elektrotechnikern subventioniert. 
Es ist kein Geheimnis mehr, dass schon viele Versicherer aus dem Geschäft ausgstiegen sind, bzw. nur noch Abwehrprämien aufrechterhalten.  

Für eine nachhaltige Lösung bedarf es auf der einen Seite stabileren Risikoprämien, die dann auch Spielraum für die Kalkulation von günstigen Einstiegspreisen böten, und auf der anderen Seite ein Umfeld leistungsgerechter Honorierung von Ingenieurleistung.
Letzteres kann aber nur im Zusammenwirken aus regulierten Absolventenzahlen und Berufsauflagen ermöglicht werden, die keine Unterwanderung von Preisrechten zuliessen.
 
Es ist zielführend,  sich die übrigen freie Berufe anzusehen, die schon Jahrzehnte Pflichtversicherungsbestimmungen erfolgreich umsetzen: Steuerberater-, Rechtanwalts- Wirtschaftsprüferkammern verfügen über bundesweit homogene Pflichtversicherungsbestimmungen, Mindestdeckungssummen und automatisierte Meldefahren bei den Versicherern. 

Bei den technischen Berufen schlägt der Föderalismus in seine vollen Härte zu, in einem Bundesland (BL) gibt es bis zu sieben (!) verschiedene Pflichtversicherungsbestimmungen.

Bei 16 BL führt dies zwangsläufig zu Haftungsszenarien auf Seiten der Versicherungsunternehmen aber auch auf Seiten der öffentlich rechtlichen Körperschaften bis hin zur Haftung aus Amtspflichtverletzung. 

Von dem Arbeitsaufwand im Falle von bundeslandüberschreitenden Beauftragung ganz schweigen. In den meisten Fällen bekommt der Versicherer noch nicht einmal Meldung darüber, dass sein Versicherunsgnehmer bei zwei verschiedenen, zuständigen Stellen i. S. § 117/2 gelistet ist. 
D. h. er kann ihn weder dort abmelden noch ist geklärt, ob er auch im Außenverhältnis dem dritten gegenüber haften müsste, sofern die Kammer ihm ihre eigene Zuständigkeit nicht hinreichend angezeigt hat. 

Eine Lösungsansatz wäre die Bestimmungen länderübergreifend anzugleichen und gleichsam als Standesvertretung den Auswüchsen, die von der Haftung aus gesamtschulderischen Verhältnissen ausgehen, entgegenzutreten und der Gerichtsbarkeit darzulegen, dass es bei keinem anderen Berufszweig üblich ist, das gewerbliche Risiko auf den nicht zu den ausführenden gehörenden Planer zu übertragen. 
Die Befriedigung von Schadensersatzansprüchen wurzelt im überwiegenden Maße nicht in konkreten Verstößen des Planers, sondern in Fehlern bei den Ausführenden und auch in dem Rechtsschein des geschädigten Dritten, der regelmäßig mehr in Sachwalterhaftung des Ingenieurs hineininterpretiert, als dieser selbst glaubt, übernommen zu haben. 
Es nur ein bedauernswerter Usus eines Rechtsverständnisses jenseits von Anstand und Charakter geworden, den der ohnehin versichert ist/ sein sollte mit dem Ansprüchen zu belangen, die in der Unzulänglichkeit anderer wurzeln.   
Es steht außer Frage, dass man für das, was man selbst verzapft hat, einstehen muss, und man mag auch noch die Folge- und Begleitschäden hinnehmen, aber nicht die Erfüllungstatbestände anderer.    

Fazit: Die (Un-)Ruheversicherung verursacht alles andere als Ruhe. Es bleibt abzuwarten, ob Vertreter der Körperschaften und Versicherer - wenn auch nur vorübergehend -  vom Wettkampfgedanken um Mitglieder- und Kundengewinnung ablassen und sich an einen Tisch setzen können.