Mut zur Lücke: freier Mitarbeiter in der Architektenversicherung

Mindestens einmal (Tendenz steigend) am Tag spielt sich bei den Neuanfragen zur Berufshaftpflichtversicherung ungefähr folgender Dialog ab:

„… ich bin seit 1998 freiberuflich tätig. Bis jetzt habe ich noch keine eigene Architektenhaftpflichtversicherung gebraucht, ich war immer über die Architektenhaftpflicht meines Auftraggebers haftpflichtversichert.“

„Sind Sie sicher?“

„Ja, ich habe bisher als freier Mitarbeiter (manche sagen auch Freelancer) gearbeitet.“

„Haben Sie eine Bestätigung über den Versicherungsschutz?“

„Nein, aber mein Auftraggeber hat bei seiner Versicherung angerufen und die haben ihm bestätigt, dass der freie Mitarbeiter versichert ist …“

In anderen Branchen wäre es schlicht unvorstellbar, dass ein Auftraggeber seinen Auftragnehmer versichern kann. Außerhalb der freien Berufe kennt man entweder den abhängig Beschäftigten oder den Subunternehmer.

Dabei ist der freie Mitarbeiter fakultätsübergreifend i. d. R. hoch qualifiziert, von ihm gibt es viele Definitionen und er ist sogar in den Bedingungen zur Berufshaftpflicht für Architekten und Ingenieure wiederzufinden. Damit sollte er im Regelfall sogar ein noch nicht einmal anzeigepflichtiges Zusatzrisiko darstellen.

Umso überraschender wenn erst erheblich später festgestellt werden muss, dass jener Regelfall eine absolute Ausnahme ist und bei fast allen von den eingangs geschilderten Anfragen kein Versicherungsschutz bestand oder dieser mit etwas Geschick hätte ausgehebelt werden können. Der Titel des Artikels zielt nicht auf die Lücke, die sich bei den Sozialversicherungen ergeben kann, sondern auf eine Deckungslücke eines häufig als versichert eingeschätzten Umstandes.

Grund genug diesen Sachverhalt noch einmal explizit herzuleiten.

Seit 1996 hat über die Musterbedingungen des GDV die Mitversicherung des freien Mitarbeiters Einzug in die BBR (Besondere Bedingungen und Risikobeschreibung) der Berufshaftpflicht der Architekten und Ingenieure gehalten. Damit trägt die Branche dem Umstand Rechnung, dass es bei den technisch wissenschaftlichen Berufen ohne die freie Mitarbeit nicht geht.

Im Originaltext der Musterbedingungen der BBR Arch wird unter Ziff. 5.2 ausgeführt:

Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen für Schäden, die sie in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtungen verursachen. Als Betriebsangehörige gelten auch die nicht in einem Anstellungsverhältnis stehenden Mitarbeiter (freie Mitarbeiter).

Nicht wortgleich aber inhaltlich ähnlich finden wir diese Formulierung bei den BBR der Versicherungsgesellschaften wieder.

Im Schadensfall prüft der Versicherer, ob ein versicherter Umstand vorliegt, dabei hat sich der Sachbearbeiter u. a. folgende Fragen zu beantworten:

  • Kann der Anspruch als ungerechtfertigter Anspruch ganz oder teilweise abgewehrt werden?
  • Handelt es sich um ein versichertes Risiko?
  • Ist das haftungsauslösende Ereignis durch einen Vertreter des versicherten Personenkreis zu vertreten?

Der freie Mitarbeiter ist in vielen Organisationen von Kammern bis zu Rententrägern beschrieben, definiert oder erwähnt, allerdings gibt es keine gesetzliche Definition des freien Mitarbeiters.

Fragt ein Versicherungsnehmer (VN) bei seiner Berufshaftpflichtversicherung an, ob freie Mitarbeiter mitversichert sind, hört er grundsätzlich ja. Dieses Ja hat zwei Wurzeln:

  1. Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer, die aus einer Beauftragung eines Dritten hervorgehen, sind in den BBR versichert. Hierbei ist es unwichtig, ob es ein freies Büro ist, das er beauftragt, oder ein freier Mitarbeiter.
  2. Wie beschrieben, ist der freie Mitarbeiter unter Ziff. 5.2 BBR aufgeführt. Der VN haftet in erster Linie im Außenverhältnis. Lässt sich nicht direkt eine Durchgriffshaftung auf den vom ihm beauftragten Verursacher ableiten, so wird der Versicher jedoch versuchen, sich an jenem Dritten, sofern es sich nicht um einen Betriebsangehörigen handelt, schadlos zu halten und ihn in Regress nehmen.

Wir fragten bei den größeren Anbietern der Berufshaftpflicht für Architekten (darunter VHV, AIA/euromaf, HDI-Gerling, R&V) nach, woran gesellschaftsspezifisch festgemacht wird, ob es in einem durch einen freien Mitarbeiter verursachten Schadensfall um einen Betriebsangehörigen i. S. der Ziff. 5.2 BBR bzw. der gesellschaftseigenen Bedingungen oder einen Subplaner handelt. Erwartungsgemäß taten sich alle Gesellschaften mit dieser Frage schwer, weil man sich vorrangig mit den Ansprüchen gegen den Kunden beschäftigt. Der freie Mitarbeiter ist nicht Kunde des Unternehmens.

Kunden erhalten auf Anfrage von ihrer Architektenaftpflichtversicherung die Auskunft, dass es sich um einen freien Mitarbeiter im Sinne der Versicherungsbedingungen handelt, wenn er vom VN beauftragt ist, keinen eigenen Versicherungsschutz unterhält und über die an das Versicherungsunternehmen gemeldete Honorarsumme erfasst wird. Eine namentliche Meldung des Betroffenen erfolgt nicht!

Für den VN sollte dies hinreichend sein, für den nicht selbst versicherten Dritten ist dies zu dünn und ggf. existenzvernichtend. Nachvollziehbar, fehlt doch eine gesetzliche Grundlage. Ebenso nachvollziehbar, dass sich kein Unternehmen dazu hinreißen lässt, sich im Vorfeld auf eine externe Definition wie z.B. aus standesvertretenen Organisationen zu verständigen. Kern des versicherungstechnischen Problems ist die Abgrenzung, wann der freie Mitarbeiter tatsächlich Betriebsangehöriger und wann er Subunternehmer ist. Vorrangig wird in standesorganisatorischen Vorträgen und Existenzgründerbroschüren die Abgrenzung freier Mitarbeiter / abhängig Beschäftigter abgehandelt.

Die Versicherungsunternehmen machen die Beurteilung an folgenden Umständen fest: Den Betriebsangehörigen nach Ziff. 5.2 BBR sind diejenigen zuzurechnen, die vom VN beauftragt werden, i. d. R. weisungsgebunden und nicht für weitere Auftraggeber tätig sind. Weitere Merkmale werden nur anhand des Einzelfalles geprüft. … Mehr nicht?

Dieses Statement reicht weiter als es im ersten Augenblick anmutet, erschlägt es doch einen Großteil aller Fälle. Während getarnte Subunternehmer relativ einfach zu entlarven sind, z.B. der beauftragte Erfüllungsgehilfe, der mit der Objektüberwachung nach § 15 HOAI Abs. 2 Lph. 8 oder der Tragwerksplanung n. § 64 HOAI betraut wird, kann insbesondere die schriftliche Mitarbeitsvereinbarung zur Stolperfalle werden.

Der freien Mitarbeit liegen im geschäftlichen Alltag überwiegend zwei Vertragsformen zugrunde. Der Mitarbeitervertrag und der Werksvertrag, dem eine Honorierung im Erfolgsfalle eigentümlich ist. Letzterer wird in den Fachabteilung als Indiz für die Subunternehmereigenschaft gewertet. Mit dem Mitarbeitervertrag, gerne als download bezogen oder auf Basis selbstgewonnener Erkenntnisse – nicht selten fußend auf der Teilnahme an Praxisseminaren zur Büroorganisation – eigens formuliert, möchte man zwar keinen Umgehungstatbestand erfüllen aber dennoch hinreichend genug abgrenzen, dass es sich hier nicht um eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit handelt.

Dazu sollte der freie Mitarbeiter nach Möglichkeit nicht allzu weisungsgebunden sein. Desweiteren beschied das OLG Frankfurt (Az.: 15 U 180/99), „dass die grundsätzlich leistungsbezogene Anwendung der HOAI auch auf das Vertragsverhältnis freier Mitarbeiter Anwendung finden muss“.

Diese beiden Umstände erschweren erheblich die Darstellung gegenüber den Versicherungsunternehmen, dass es sich um den i.S. der BBR versicherten, freien Mitarbeiter handelt.

Fazit

  • Nimmt der Endkunde nur den freien Mitarbeiter / beauftragten Kollegen direkt in Anspruch, so wird sich der Versicherer des Hauptplaners nicht der Regulierung (Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche oder Ersatzleistung) annehmen.
  • Wird ein Dienstvertrag oder Mitarbeitervertrag für die Beauftragung eines echten freien Mitarbeiters analog den Empfehlungen der meisten Architektenkammern geschlossen, so ist damit zu rechnen, dass die Versicherer dem Mitarbeiter die Eigenschaft des Subplaners oder beauftragten Ingenieurs unterstellen.

Empfehlung

  • Ingenieure, die als freier Mitarbeiter, beauftragt werden, sollten sich im Vorhinein explizit durch das Versicherungsunternehmen die Mitversicherung konkret bestätigen lassen.
  • Wer sichergehen will – insbesondere auch für die Dauer der Nachhaftung – kommt um den eigenen Vertrag nicht herum. Am Markt sind Existenzgründer- und Kleinbürotarife erhältlich; häufig bieten Rahmenabkommen von Verbänden oder Kammern günstige Versicherungslösungen.